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Erdbeere im Milchbad

Die Milch macht´s – oder nicht?

Sie gilt grundsätzlich als der Kalziumlieferant schlechthin und als gesundes, natürliches Nahrungsmittel, welches groß & stark macht. „Milch macht müde Menschen munter“, heißt es. Ob im Kaffee, pur, oder zum Kochen – der Milchbart gehört in Deutschland zum guten Ton.

Doch ist die Milch gesund?

Trotz ihrer Beliebtheit ranken sich um die Milch aber mittlerweile viele Thesen: Ist sie nun gesund oder eher ungesund, am Ende gar krank machend? Was macht Milch mit dem Körper? Sollen wir besonders viel davon zu uns nehmen, oder sie lieber sparsam dosieren?

Milchgegner behaupten felsenfest, dass Milch krank macht. Sie könne Allergien, vor allem bei Säuglingen auslösen, zu chronischen Infekten führen, Hautprobleme und Neurodermitis hervorrufen, Asthma, Diabetes und sogar Krebs fördern. Grund dafür könnten die artfremden Proteine in der Milch sein, gegen die sich der Körper wehrt. Doch wissenschaftliche Studien, die diesen Zusammenhang zweifelsfrei bestätigen können, fehlen bislang. Was Milch wirklich kann, versuchen wir heute mal zu klären.

Was steckt in der Milch?

Milch besteht zu rund 87 Prozent aus Wasser – gilt aber trotzdem nicht als Getränk, sondern als Grundnahrungsmittel. Der Rest setzt sich vor allem aus Eiweißen, Fett und Milchzucker (Laktose) zusammen. In der Milch schlummern aber noch Mineralstoffe, Vitamine und Rückstände. Rund 400 verschiedene Fettsäuren sind enthalten, das macht die Milch im Vergleich zu vielen anderen Lebensmitteln durchaus besonders.

Sie enthält viele essenzielle Nährstoffe – und das muss sie auch, schließlich ist sie für die ersten Lebensmonate die einzige Nahrung für Neugeborene und Säuglinge. Milch kann auch im Kindes- und Jugendalter den Tagesbedarf wichtiger Mineralien und Nährstoffe decken – besonders hervorzuheben ist hier der Kalziumbedarf.

Milch ist damit für viele Menschen und Experten aus rein gesundheitlicher Sicht ein ausgewogenes und vor allem praktisches Lebensmittel.

Brauchen wir Milch?

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das auch nach dem Abstillen Muttermilch zu sich nimmt – allerdings von einer anderen Spezies. Aber seit eh und je fehlt den Menschen teilweise das nötige Enzym, um den Milchzucker Laktose zu verdauen. Milch ist für manche Menschen also nicht oder nur äußerst schwer verträglich, insbesondere in den hierzulande üblichen Mengen.

Die Länder, in denen Milch kein Grundnahrungsmittel ist, zeigen klar: Der Mensch kann auch ohne Milch gesund leben. Die wichtigen Nährstoffe bekommen wir auch aus anderen Lebensmitteln. Rund drei Viertel aller Menschen weltweit sind Laktose intolerant: Ihnen fehlt die Laktase, also jenes Enzym, das Laktose im Körper verarbeiten kann.

In Europa leiden rund 30 Prozent der Erwachsenen unter einer Laktoseintoleranz. Bei ihnen kann Milchkonsum zu Bauchschmerzen, Blubbern und Blähungen führen. Eine Milchallergie kommt bei circa einem Prozent vor.

ein Glas Milch mit Glaskaraffe vor Sonnenblumen

Wieviel Milch konsumieren wir?

Insgesamt 86 Kilogramm Frischmilcherzeugnisse nimmt jeder Deutsche im Jahr zu sich. Damit sind wir Weltspitze. Und das, obwohl der menschliche Körper Milch weder zwingend braucht, noch ursprünglich darauf ausgerichtet ist, Milchzucker zu verdauen. Es ist absolut paradox, dass Menschen die einzigen Lebewesen sind, die Milch von anderen Tieren konsumieren. Ursprünglich scheint unser Körper also keineswegs auf Milch angewiesen gewesen zu sein, ganz im Gegenteil.

Unumstritten ist, dass Milch zum Start ins Leben essentiell ist. Der Säugling kann die Muttermilch dank des Enzyms Laktase problemlos verdauen.

Doch eigentlich nur bedingt durch einen „Gendefekt“, der sich evolutionsgeschichtlich entwickelt hat, bleibt ihm diese Fähigkeit erhalten und macht den Milchkonsum auch im Erwachsenenalter möglich.

Milch enthält wichtige Nährstoffe

Kein Mythos, sondern ein Fakt ist, dass Milch und Milchprodukte einen wichtigen Beitrag zur gesunden Ernährung leisten können, da sie Nährstoffe wie Kalzium, Vitamin B2 und Jod enthalten. Dies sind Nährstoffe, die viele Menschen nicht in ausreichendem Maß aufnehmen. Daher wird der Verzehr von Milch grundsätzlich empfohlen. Dennoch herrschen weiterhin verschiedene Meinungen darüber, was Milch außerdem noch kann – oder anrichtet.

Milch enthält reichlich Kalzium. Dieses Mineral wird für den Knochenaufbau benötigt. Tatsächlich haben Menschen, die vermehrt Milch und Milchprodukte verzehren, eine erhöhte Knochenmasse und Knochendichte. Das Risiko eines Knochenbruchs zu verringern – ausschließlich durch den Konsum von Milchprodukten, zählt aber weiterhin zur Kategorie Seemannsgarn.

Doch Kalzium braucht einen Partner – hier betritt Vitamin D das Spielfeld.

Bereits als Kind lernt man: Das Kalzium aus der Milch hilft beim Wachsen, ist gut für die Knochen und macht stark. Das stimmt. Kein Nahrungsmittel unserer Gesellschaft enthält soviel Kalzium wie Milch. Um Knochen und Zähnen Festigkeit zu verleihen,  auch für die Muskelfunktion ist der Mineralstoff essentiell. ABER –  die vielen tierischen Proteine in der Milch können im Körper und im Blut zu Übersäuerung führen. Um diese zu neutralisieren, braucht der Körper wiederum Kalzium, was er dann aus den Knochen entnehmen muss. Dieser Kalziumverlust kann eine Ursache für Osteoporose sein. Und das, obwohl ja behauptet wird, Milch beuge der Krankheit vor.

Glas Milch mit Glaskaraffe auf der Wiese

Wenn Kalzium allein nicht reicht

Mittlerweile weiß man auch, dass eine hohe Kalziumzufuhr allein noch nicht für starke Knochen sorgt. So kann Kalzium aus der Nahrung nur dann richtig verwertet werden, wenn gleichzeitig auch ausreichend Vitamin D (und Magnesium) zur Verfügung stehen. Demnach könnte man literweise Milch trinken und trotzdem schwache Knochen haben, wenn man sich nicht gleichzeitig auch ausreichend in der Sonne aufhält.

Das Verhältnis von Aufnahme und Verlust von Kalzium ist also wesentlich wichtiger als die reine Aufnahme des Mineralstoffes. Denn wie Milchgegner argumentieren, entsteht Kalziummangel nicht dadurch, dass man zu wenig Milch trinkt, sondern zu viele saure Lebensmittel, wie Kaffee, Cola, Alkohol, Fleisch, Milchprodukte und Süßigkeiten, zu sich nimmt. Auch wenn es im Vergleich zur Milch weniger ist:  viele pflanzliche Quellen enthalten Kalzium und können den Bedarf an diesem Mineralstoff ausreichend decken. Ganz oben stehen dabei grünes Blattgemüse, Brokkoli, Bohnen, Soja, Nüsse und Getreide. Pflanzliches Eiweiß kann auch vom Körper besser verstoffwechselt werden und senkt den pH-Wert.

Senkt Milch den Blutdruck?

Ja, Milch und Milchprodukte können den Blutdruck senken, insbesondere dann, wenn sie fettreduziert sind. Besonders deutlich wird dieser Effekt beim Verzehr von Joghurt, z.B. während eines gesunden Frühstücks.

Hilft Milch bei Sodbrennen?

Ja, denn bei Sodbrennen fließt ein Teil des sauren Mageninhalts zurück in die Speiseröhre, was die Schleimhaut reizt und ein brennendes Gefühl verursacht. Milch und Milchprodukte können die Säure neutralisieren und so dazu beitragen, die Symptome von Sodbrennen zu lindern.

Begünstigt Milch die Entstehung von Krebs oder erhöht das Risiko?

Milch und Milchprodukte können das Krebsrisiko beeinflussen – leider in beide Richtungen: Während ein erhöhter Milchkonsum die Gefahr an Darmkrebs zu erkranken verringert, kann er gleichzeitig das Risiko für Prostatakrebs erhöhen – dafür sind allerdings mehr als ein Liter pro Tag nötig. Der Grund scheint unter anderem die erhöhte Kalziumzufuhr durch Milch zu sein.

Bei Darmkrebs dagegen hat der hohe Kalziumspiegel den gegenteiligen Effekt – er scheint  zu schützen. Ein moderater Milchkonsum scheint also das Risiko  zu senken. Moderat heißt: Ab etwa einem Glas täglich (200 Milliliter) tritt der präventive Effekt auf, zwischen 500 bis 800 Milliliter Milch am Tag ist er am Größten.

Experten empfehlen daher eine erhöhte Milchzufuhr eher bei Frauen als bei Männern.

ABER ACHTUNG – dies sind höchstens Hinweise, keine Belege

Auch für andere Krebsarten steht Milch als ein möglicher Einflussfaktor im Verdacht – doch ist es schwierig, die Milch als Ursache auszumachen. Denn viele andere Faktoren haben einen weitaus größeren Einfluss: So hängt das Krebsrisiko von genetischen Veranlagungen ab, von Bewegung und der gesamten Ernährung, besonders aber auch vom Alkoholkonsum, Rauchen und damit insgesamt vom Lebensstil. Und der beeinflusst einen der größten Risikofaktoren: das Gewicht. Übergewicht erhöht das Risiko für viele Erkrankungen – dazu zählt auch Krebs.

Getreidekaffee mit Ähren und Körnern

 

Welche Milch ist gesünder?

Fettarm oder Vollmilch: Was ist wirklich gesünder?

Die allgemeine Meinung dazu ist, dass fettarme Milch positivere Effekte auf den Körper hat. Doch das ist zum Teil nur Theorie. Denn wenn es zum Beispiel ums Abnehmen oder die Gewichtskontrolle geht, hat fettarme Milch keine Vorteile gegenüber Vollmilch. Bei Kindern und Jugendlichen sorgte fettarme Milch in Studien sogar indirekt für eine Gewichtszunahme. Als Erklärung vermuteten die Forscher, dass die Teilnehmer mehr aßen, weil die fettarme Milch sie weniger sättigte.

Fettarme Milch ist auch nicht unbedingt besser für den Cholesterinspiegel. Viel entscheidender hierfür ist die Frage, wie die Kalorien insgesamt aufgenommen werden. Experten empfehlen daher, im Hinblick auf den Cholesterinspiegel die gesättigten  durch ungesättigte Fettsäuren zu ersetzen. Beispielsweise kann ein selbst zubereitetes Müsli aus Haferflocken, Nüssen, Saaten und Beeren mit Milch die Menge der ungesättigten Fettsäuren erhöhen, womit wir wieder bei einem gesunden und ausgewogenen Frühstück wären.

Sind Milchalternativen besser?

Milchalternativen steigen derzeit im Umsatz. Das Angebot wird immer größer, egal ob Laktosefrei, Milch aus Reis, Hafer oder Soja. Ohne Laktoseintoleranz aber kann jeder weiterhin bedenkenlos Milch- und Milchprodukte verzehren, ein Umschwenken auf Alternativen ist nicht zwangsläufig sinnvoll.

Laktose freie Milch

Sie entspricht der Vollmilch, ist nur chemisch verarbeitet und enthält dadurch Laktase – das Enzym, das Laktose spaltet und Menschen fehlt, die keine Milch vertragen. Für Menschen, die tatsächlich eine Laktoseintoleranz haben, ist sie eine Alternative – für alle anderen macht sie keinen Unterschied. Bei einer leichten Unverträglichkeit sind viele Käsesorten unproblematisch. Laktose ganz aus seinem Speiseplan zu streichen, kann auf Dauer sogar dazu führen, dass man Milch noch schlechter verträgt.

Soja-, Reis- und Mandelmilch

Milchersatzprodukte sind eher wegen des Tierschutzes oder aus ökologischer Perspektive eine Überlegung wert, nicht aber aus gesundheitlichen Gründen. Sie enthalten durch Zusätze die gleiche oder zumindest ähnliche Mengen vieler Nährstoffe. Proteine aus pflanzlichen Produkten verarbeitet der Körper schlechter als die aus Kuhmilch – allerdings spielt der Effekt im Alltag keine große Rolle.

Frühstückstisch mit Obst, Milch und Marmelade

Fazit

 Milchbart ja, nein, ääähhh jein!

Wir konsumieren heute deutlich mehr Milch als früher, sowohl direkt, in Form von Molkereiprodukten, als auch indirekt über Milchprodukte, die eigentlich in keinen Kühlschrank gehören. Zudem ist die Art, wie wir dieses Nahrungsmittel heute im Akkord produzieren, ethisch schwer vertretbar.

Verlass dich deshalb nicht blind auf scheinbar plausible Gründe, die für einen Milchkonsum sprechen. Denn tatsächlich bringt fast jedes Argument, welches für Milch spricht, auch eins gegen sie mit sich.

Jeder sollte deshalb seinen Milchkonsum und die dazugehörigen Rahmenbedingungen einmal differenziert betrachten und die Frage „Brauchen wir Milch eigentlich wirklich?“ nicht außer Acht lassen. Natürlich musst du nicht von jetzt auf gleich komplett auf Milch verzichten oder zum Veganer werden. Kaufe und trinke Milch einfach bewusst. Wie so oft gilt also auch beim Milchkonsum die Faustregel: weniger ist mehr.